Kommentar: Die Ultra HD Blu-ray hat schon jetzt gegen Netflix & Co. verloren

Kommentar: Die Ultra HD Blu-ray hat schon jetzt gegen Netflix & Co. verloren

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Endlich Filme in überscharfem 4K schauen: Mit der Ultra HD Blu-ray steht der Nachfolger der Blu-ray in den Startlöchern. Die BDA (Blu-ray Disc Association) hat das Format spezifiziert und lizensiert, die Filmstudios können mit der Produktion beginnen. Auf der IFA in Berlin haben Samsung und Panasonic die entsprechenden Player angekündigt. Eigentlich eine aufregende Sache, denn endlich erreicht das Heimkino in der Bildqualität einen Detailreichtum, den sonst nur das Kino bietet. Wenn denn nur die Kundschaft auch scharf auf die neuen Scheiben wäre.

So gut sahen Filme im Heimkino noch nie aus

Technisch ist an den neuen Ultra HD Blu-rays nichts auszusetzen: Sie fassen bis zu 100 GB und nutzen den effektiven HEVC-Codec zur Videokomprimierung. Das reicht aus, um einen Zwei-Stunden-Film in Ultra-HD-Auflösung von 3840 x 2160 Pixel und in HFR mit 60 Bildern pro Sekunde zu speichern. Das sind viermal so viele Bildpunkte wie bei Full HD von der Blu-ray. Und eine mehr als doppelt so hohe Bildwiederholrate. Die Datenübertragungsrate von bis zu 128 Mbit/s schlägt die Datenrate von 4K-Streamings um Längen. Netflix überträgt beispielsweise mit 20 – 25 Mbit/s. Dazu versprechen HDR und der größere Farbraum BT.2020 ein kontrastreicheres und natürlicheres Seherlebnis. Trotzdem wird die High-End-Videoscheibe einen schweren Start haben. Schuld sind die Konkurrenz durch Videostreaming und der fehlende Mehrwert für die meisten Film- und Serienschauer.

Ultra HD? Seh ich nicht.

Der Hauptgrund für die Entwicklung von Ultra HD Blu-rays geht an den meisten Fernsehhaushalten vorbei. Das Wohnzimmer steckt noch im Übergang von alter Standardauflösung zu Full HD und hat bisher kaum von Ultra HD gehört. In Deutschland tun sich viele Fernsehsender mit vollen 1080 Bildzeilen schwer und liefern nur 720p-HD. Und selbst wer einen modernen 4K-Fernseher hat, der die UHD-Auflösung nativ darstellen kann, wird den Unterschied zwischen brillantem Full HD und noch brillanterem 4K-UHD kaum bemerken. Dafür sind die typischen Bildschirmdiagonalen zu klein und die Sitzabstände zu groß: Bei 2,5 Metern Abstand vom Fernseher braucht es mindestens ein wuchtiges 65-Zoll-Display, um einen mehr als subtilen Unterschied zwischen Full HD und 4K zu erkennen. Das menschliche Auge löst nicht höher auf. Die Masse der Zuschauer setzt zuhause nicht auf höchstmögliche Auflösung: Schon die Blu-ray tat und tut sich bei einem ähnlichen Qualitätssprung gegenüber der DVD schwer. 2007 betrat die Blu-ray den Markt, aber noch 2014 war in Deutschland der Umsatz durch Kauf von Verleih bei DVDs mehr als doppelt so hoch als bei Blu-rays. Den meisten reicht die DVD-Auflösung und sie lassen sich nicht von der drei- bis viermal höheren Full-HD-Auflösung locken.

Nachlassendes Interesse: Entwicklung der Suchanfragen zu "Blu-ray" laut Google Trends

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Lieber per Video-on-Demand streamen

Hinzu kommt, dass die Ultra HD Blu-ray in das Spätbarock der physischen Datenträger platzt. Video-Streaming erreicht jährlich Umsatzzuwächse von um die 40 Prozent, während die Umsätze mit optischen Medien schrumpfen. Ihr Spitzenjahr hatten sie in Deutschland bereits 2009 mit 112 Millionen verkauften Bildträgern erreicht. Es ist bequemer, den Film mit wenigen Klicks aus einem umfangreichen Video-on-Demand-Angebot auszuwählen und zu streamen, als eine Blu-ray zu kaufen oder aus der Videothek zu holen. Netflix hat bereits 4K-Angebote, Amazon Instant Video und andere Anbieter werden nachziehen.

Bleiben für die Ultra HD Blu-ray diejenigen, die Filme lieber richtig besitzen – mit Hülle, Cover und glänzender Scheibe. Aber auch Sammler haben Schmerzgrenzen. Wer schon so viele Lieblingstitel auf DVD geholt hat und sich gerade von der Aktualisierung auf Blu-ray erholt, muss erst zwei Mal nachdenken, ehe er zur nächsten Bildträger-Generation greift. Das Portemonnaie schreit. Apropos Kosten: Selbstverständlich macht die Ultra HD Blu-ray nicht nur einen 4K-Fernseher, sondern auch einen neuen Player nötig. Bei der Einführung der Blu-ray hat es dem Markt geholfen, dass mit der PlayStation 3 ein günstiger integrierter Blu-ray-Player zur Verfügung stand, während man ansonsten um die 1000 Euro für ein frühes Abspielgerät ausgeben musste. Ein solcher günstiger Player ist derzeit für die Ultra HD Blu-ray nicht in Sicht. Aber immerhin hat Samsung gelernt und sein Gerät für unter 500 Euro angekündigt.

GfK: Optische Medien verlieren an Bedeutung

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Blockbuster ohne Auswertung auf optischen Medien

Hollywood selbst verliert langsam das Interesse an den optischen Medien. Aufgrund der Konkurrenz von Netflix zunächst im Bereich der TV-Serien, zeitversetzt auch bei Kinofilmen. Im digitalen Verleih und Verkauf sehen 20th Century Fox, Disney und Co. die Zukunft. Schließende Videotheken sind nur ein Symptom der wegbrechenden Vertriebskette für DVD, Blu-ray und Ultra HD Blu-ray.

Entsprechend verhalten ist auch die Vermarktung von Ultra HD Blu-ray. Auf der IFA wurde das Thema nebenbei abgehakt, der Marketing-Klimbim der Unterhaltungsmedien konzentrierte sich lieber auf OLED, Ambilux, Curved und 4K im Allgemeinen. Zum Weihnachtsgeschäft kommen noch keine Ultra HD Blu-rays auf den europäischen Markt. Die ersten Player gibt es erst Anfang 2016. Die UHD Blu-ray ist auf dem besten Wege zu einem Nischenprodukt für Cineasten zu werden. Die werden den Qualitätsunterschied zur Blu-ray und zum 4K-Streaming bemerken und wertschätzen. Kennt noch jemand die Laserdisc?

 

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