Kommentar: Okay, reden wir über den geplanten Kauf von Activision Blizzard

      Kommentar: Okay, reden wir über den geplanten Kauf von Activision Blizzard

      Knapp 70 Mrd. Dollar wird Microsoft für Activision Blizzard hinblättern. Der Kauf hat weitreichende Konsequenzen für die Industrie und könnte mehr Nach- als Vorteile bringen.

      Zuerst hat das Wall Street Journal über den Kauf berichtet. Diese Meldung wurde kurze Zeit später von Bloomberg bestätigt. Zum Schluss bestätigte dann Microsoft selbst den Deal. Activision Blizzard wird Teil von Microsoft Xbox. Damit hat Microsoft nicht nur auf einen Schlag mindestens ein Dutzend Studios und hunderte Entwickler*innen eingekauft, sondern auch die Rechte an ein paar sehr beliebten und populären Marken, wobei die Liste noch deutlich länger ausfallen könnte:

      • Call of Duty
      • Guitar Hero
      • Warcraft
      • Overwatch
      • Diablo
      • Starcraft
      • Hearthstone
      • Candy Crush
      • Spyro
      • Crash Bandicoot
      • Tony Hawk

      Es war irgendwie abzusehen. Wir bewegen uns immer weiter auf eine Welt zu, in der es nur noch wenige, aber dafür gigantische Videospiel-Publisher geben wird. Ihr könnt nämlich darauf wetten, dass nach der Bekanntgabe des Kaufs von Activision Blizzard bei den anderen Publishern einige (virtuelle) Meetingräume gefüllt wurden.

      Besonders Sony wird jetzt meinen, unter Zugzwang zu stehen und sehr wahrscheinlich hastig einen anderen Publisher schlucken wollen – Electronic Arts beispielsweise. Das gigantische (aber irgendwie größtenteils in Europa unbekannte) Tencent könnte ein Auge auf Ubisoft werfen. Mehr, mehr, mehr – es muss immer größer werden. Ewiges Wachstum! Ich hoffe, dass wenigstens ein Volker-Pispers-Fan da draußen jetzt grinst.

      Bobby „bitte photoshoped mir keine Hörner mehr auf den Kopf“ Kotick

      Ironischerweise hat genau dieses Grundprinzip – Aktienkurs über alles – den geplanten Deal überhaupt erst möglich gemacht. Durch mehrere Klagen wegen sexueller Belästigung gegen Manager bei Activision Blizzard ist der Aktienkurs in den letzten sechs Monaten um fast 1/3 eingebrochen. Der derzeitige CEO, Robert A. „Bobby“ Kotick, soll von den Belästigungen gewusst und es ignoriert haben. Nachdem die Stimmen der Presse und der Öffentlichkeit immer lauter wurden, trat sogar Xbox Chef Phil Spencer auf den Plan und sagte: „Wir werden unsere Beziehung zu Activision Blizzard nach den aktuellen Berichten überdenken“. So kann man diesen Milliarden-Dollar-Deal natürlich auch beschreiben.

      Einen Tag nach Bekanntwerden des Deals gab Bobby Kotick auch schon ein Interview, warum dieser Deal notwendig war. Man wäre als Activision Blizzard einfach zu klein, um mit den anderen Publishern mithalten zu können. Nach dem Kauf durch Microsoft wäre man immer noch „nur“ der drittgrößte Publisher unter der Sonne. Mit diesem Satz soll wohl die Kartellrechtsklage abgewehrt werden.

      „Die Übernahme [von Activision Blizzard] ist ein weiteres Beispiel für die sogenannte ‚vertikale Integration‘ in der Videospielbranche – ein Konsolenhersteller (Distributor) erwirbt einen Spieleentwickler (Produzenten). Natürlich ist dies der größte Deal dieser Art in der Geschichte der Spieleindustrie, aber US-Gerichte waren in der Vergangenheit nicht bereit, restriktive Kartellprinzipien auf vertikale Transaktionen anzuwenden.“

      David Hoppe, Rechts-Experte bei Gamma Law

      Quellen berichten davon, dass Kotick nach Abschluss der Akquisition (wahrscheinlich im Sommer 2023) seinen Posten als CEO von Activision Blizzard räumen muss. Man möchte meinen, dass ein Manager, der den Aktienkurs so gegen die Wand gefahren hat und das Vertrauen seiner Mitarbeiter verloren hat, sang- und klanglos gehen muss. Dem ist nicht so. Sehr wahrscheinlich wird seine Abfindung alles in allem 250 Mio. Dollar betragen. Der Betrag gesellt sich zu den 155 Millionen, die er im Juni 2021 als „Bonus“ bekommen hat. Ihr müsst euch also keine Sorgen machen, dass Bobby Kotick bald Pfandflaschen sammeln muss. Er hat ja auch noch seinen Job beim „Board of Directors“ bei Coca Cola.

      Was passiert mit den Spielen von Activision Blizzard?

      Lassen wir die Management-Geschichten aber mal hinter uns. Wie schon erwähnt, gehören Activision Blizzard einige sehr beliebte Marken. Die sind entweder PC-exklusiv (WoW) oder auf allen Plattformen verfügbar (Call of Duty). Das dürfte sich jetzt ändern, auch wenn man bei Activision Blizzard gerade versucht, den eigenen Mitarbeitern in einem FAQ etwas anderes zu erzählen.

      Frage:
      Wie wirkt sich diese Transaktion auf bestehende Partnervereinbarungen (z. B. Sony, Google, Apple) aus? Wird sich dadurch ändern, was wir unseren Partnern anbieten können oder wie wir unsere Vereinbarungen strukturieren?

      Antwort:
      Wir werden alle bestehenden Verpflichtungen einhalten. Wie bei der Übernahme von Minecraft durch Microsoft haben wir nicht die Absicht, Inhalte von Plattformen zu entfernen, auf denen sie heute existieren. Wir wären offen für Gespräche über den Abschluss einer Vereinbarung zur Bestätigung unserer Absicht, wenn dies angemessen ist.

      Frage:
      Wie wird sich diese Transaktion auf unsere Pipeline und bestehende Spiele auswirken? Wie werden laufende Projekte von der Transaktion betroffen sein? Werden wir nach Vertragsabschluss an Titeln/Produkten, die nicht von Activision Blizzard stammen, innerhalb von Microsoft/ Xbox/ Bethesda arbeiten?

      Antwort:
      Wir gehen nicht davon aus, dass diese Neuigkeiten die Einführung der aktuellen Pipeline von Activision Blizzard oder bestehender Spiele beeinflussen werden. Bis zum Abschluss bleibt alles wie gewohnt und beide Unternehmen werden weiterhin unabhängig voneinander operieren. Wir arbeiten noch daran, die Einzelheiten der zukünftigen Organisation zu finalisieren. Für den Moment bitten wir Sie, sich auf Ihre aktuellen Aufgaben zu konzentrieren.

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      Zwischen den Zeilen wird deutlich, dass man keine bestehenden Verträge brechen wird, aber für alle zukünftigen Activision-Blizzard-Titel hält sich Microsoft/Xbox die Tür offen. Nach dem Kauf von Bethesda haben wir ja bereits gesehen, dass Multi-Plattform-Titel wie Starfield plötzlich nur noch für Xbox und PC kommen werden.

      Phil Spencer sagte dazu bisher nur, dass einige der Spiele von Activision auch weiterhin für die Sony-Konsole erscheinen werden. Danke für die Details Phil, jetzt bin ich beruhigt – glaube ich zumindest. Das erinnert mich an den Moment, in dem ihr Bethesda gekauft habt. Da hattest du ähnliche Aussagen gemacht, die sich aber immer wieder etwas verändert haben. Wie war das nochmal?

      Genau, im September 2020 hast du gesagt, Xbox würde „von Fall zu Fall“ entscheiden, ob zukünftige Bethesda-Titel auf andere Konsolen kommen werden. Im März 2021 hieß es dann, dass „einige Spiele exklusiv für die Xbox sind“. Ein klein wenig später hast du bestätigt, dass man die „vertraglichen Verpflichtungen“ einhalten wird, aber „Xbox die Heimat für zukünftige Bethesda-Spiele“ sein wird. Geschichte wiederholt sich eben doch.

      Apropos „vertragliche Verpflichtungen“ – eine wichtige Formulierung. Ein Glück macht der Xbox Chef hier klar, dass man diese erfüllen wird. Es ist ja nicht so, dass da irgendwelche Geldstrafen dranhängen würden, wenn dies nicht geschieht. Sony hat Microsoft auch direkt daran erinnert, dass Activision Blizzard zugesagt hat, dass neue Inhalte für Call of Duty zuerst auf die PlayStation kommen. Da werden wohl gerade ein paar Anwälte durch das Kleingedruckte im Vertrag gehen. Kleingeld dürfte zwar nicht das Problem von Microsoft sein, der Image-Schaden steht jedoch auf einem anderen Blatt.

      Es geht nur noch um Inhalte und nicht mehr Spiele

      Zur selben Zeit, als Microsoft den Kauf von Activision Blizzard bekanntgegeben hat, wurde auch die aktuelle Anzahl von Game-Pass-Spieler*innen veröffentlicht – 25 Millionen. Um das in Relation zu setzen: Netflix hat aktuell 22 Millionen Abonnent*innen weltweit. Es wurde auch schon bekanntgegeben, dass der Gaming-Katalog von Activision Blizzard in Microsofts Netflix-Style-Abo-Dienst importiert werden wird. Ein genaues Datum gibt es aber noch nicht.

      Microsoft setzt alles auf Game Pass. Mit der „Ultimate“-Version sogar ohne Xbox. Es soll nur noch darum gehen, dass möglichst viele Spieler zur Gaming-Flatrate greifen. Games von Activision Blizzard werden da sicherlich helfen. Ich kann das sogar verstehen. Ich spiele aktuell die ganze Halo-Kampagne (Reach bis Infinite) auf einem OnePlus Nord 2 (Test) und einem Xbox-Smartphone-Controller von Nacon. Solange die Internet-Verbindung stabil ist, läuft das super.

      Das bedeutet aber auch, dass es nicht mehr primär um individuelle Spiele gehen wird. Das Ziel wird hingegen sein, möglichst viele Spieler bei Game Pass zu halten. Wie bei Netflix geht es nicht mehr darum, ob euch Money Heist gefallen hat, sondern ob es euch einen Monat länger auf der Plattform gehalten hat. Bei Mobile Games kommt noch hinzu, ob das Spiel möglichst zum Kauf von Mikrotransaktionen animiert hat. Ein Phänomen, das leider auch immer mehr zu den anderen Plattformen schwappt. Die psychologischen Hebel sind vor allem Lock-In-Effekte und versunkene Kosten.

      Für das Medium Videospiele, das schon lange zwischen Kunst und Ausbeute (bei Entwickler*innen und Spieler*innen) steht, ist es ein deutlicher Schritt weg von der Kunst. Während sich Manager also ihre Boni ausschütten, bedeutet das für uns Spieler*innen, dass es immer ein kleines bisschen schlimmer wird. Lootboxen, Mikrotransaktionen, halbfertige Games zum Launch, unnötiger Grind und seit neuestem auch NFTs.


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      Es ist aber nicht alles schlecht und böse. Am Ende entscheiden wir Verbraucher, welche Systeme wir unterstützen wollen. „Vote with your wallet“, wie die Amerikaner es nennen. Ende 2021 kam beispielsweise eine kleine Indy-Perle auf den Markt: „Kena: Bridge of Spirits“ von Ember Labs. Das ist eigentlich ein Studio für Animations-Filme, die mit diesem Titel ihren Gaming-Erstling präsentiert haben, der einfach ein großartiges Spiel ist. Bisher ist „Kena: Bridge of Spirits“ für PlayStation und PC (via Epic Games Store) erschienen. Aber die Entwickler haben auch deutlich gemacht, dass diese Exklusivität nur temporär ist und auch Xbox und Nintendo Switch in Frage kommen.

      Neben gigantischen Publishern gibt es also auch noch jede Menge kleinere Studios und es werden immer wieder neue dazukommen. Das Medium Videospiele hat also noch nicht das Level von Disney-Pixar-Marvel-Star-Wars erreicht. Es gibt für mich noch Hoffnung für unser liebstes Hobby. Machen wir etwas daraus.

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      Quellen: Wall Street Journal, Bloomberg, Xbox (Twitter), Volker Pispers (YouTube), Kotaku, Activision Blizzard Aktie (Finanzen.net), GamesIndustries.biz, venturebeat, IGN (USA), PCGames, eurogamer, Coca Cola, Activision Blizzard Mitarbeiter FAQ, GamePro, gamingbolt, The Verge, Wall Street Journal, Xbox, Netflix, eurogamer

      Veröffentlicht von Sascha

      Gamer, Filmliebhaber & Hobby-Fotograf – also alles was eine gute Geschichte erzählt. Großer Fan von durchdachten Produkten und Privatsphäre. Nach zehn Jahren im Google-System derzeit im Apple-Kosmos unterwegs und soweit zufrieden.

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